Samstag, 13. Oktober 2018

Parteienlandschaft

Morgen sind Wahlen in Bayern. Ich bin nicht wahlberechtigt. Ich bin Österreicher. Die CSU wird die morgigen Wahlen gewinnen, die Grünen werden zweitstärkste Partei. Der Spitzenkandidat der CSU hat eine Koalition mit den Grünen bereits ausgeschlossen. Plakatiert hat er den Slogan … damit Bayern stabil bleibt, gefehlt hat der Zusatz … und mein Sessel nicht wackelt.
Deutschlandweit stellt man sich zurzeit die Frage: Wohin geht die CDU? In Österreich regiert eine ÖVP/FPÖ-Koalition, was so schlecht ist wie ein CDU/AfD-Zusammenschluss. Die Grünen in Österreich sind nach den letzten Wahlen aus dem Parlament geflogen. Eine Linkspartei gibt es nicht. Alle (linken) Hoffnungen liegen bei der SPÖ.
Dieter Lesage würde sich wünschen, dass »die Linkspartei, …, der CDU auch mal gratulieren könnte, wenn sie etwas richtig macht.« (der Freitag, 11. Oktober 2018) - Das ist ein guter Punkt. Die AfD hat in Bayern plakatiert, dass sie für den Erhalt von Bargeld ist. Darf man ihr dafür gratulieren? Die Abschaffung von Bargeld führt á la longue in den Überwachungsstaat, wovor Norbert Häring eindrucksvoll gewarnt hat.
Wenn man Kritik an der GroKo übt, meint man dann die Tatsache, dass die SPD mit der CDU koaliert? Gibt es denn für die SPD eine bessere Idee? Gibt es für die CDU eine bessere Idee, als mit der SPD zu koalieren? Gibt es Ideen für eine Zusammenarbeit von Linken und Grünen? Geht es um Parteien, Personen oder Ideen?
Ich würde morgen die Linken wählen. Aber was ist links? An welchen Fragestellungen entscheidet sich, ob ich links bin? Wie unterscheide ich mich von anderen Linken? Und wo liegt die Grenze zu den Rechten? Zwischen CDU und AfD? Zwischen SPD und CDU? Zwischen den Linken und den Grünen?
Wenn ich nach Österreich schaue, muss ich zugeben, dass niemand wissen kann, was nach dem ÖVP/FPÖ-Desaster kommen wird. Ich weiß nur, dass ich bei der nächsten Wahl SPÖ wählen werde. Ich habe Sympathien für deren neue Spitzenkandidatin. Wenn ich mich als Wähler oute, dann will ich auch sagen, was mir an dieser SPÖ gefällt: Sie hat sich auf eine habilitierte Ärztin als neue Chefin geeinigt, die dem smarten Studienabbrecher das abringen wird, was sein einziges Kapital ist: Sympathiepunkte.
So wie ich es sehe, braucht es junge, fesche, intelligente Menschen in den linken Parteien. Parteinamen sind zweitrangig. Und mächtige, alte Männer sollten sich in den Hintergrund spielen.

Donnerstag, 4. Oktober 2018

Wackersdorf

Mit meiner Liebsten saß ich in einem Kino in Nürnberg. Wir haben uns Wackersdorf angesehen, den Spielfilm über die Ereignisse rund um die dortige Wiederaufbereitungsanlage für Atommüll. Die Regierung von Franz Josef Strauß hatte den Bau dieser Anlage in den 1980er Jahren mit Gewalt durchsetzen wollen. Erst zwei Jahre nach Tschernobyl wurde das Vorhaben fallen gelassen. Am Bauzaun starben drei friedlich demonstrierende Menschen. Ein Gesetz wurde eigens erlassen, um den gewählten Landrat, der seine Zustimmung verweigert hatte, aus dem Amt zu entfernen. Bis heute warten Beteiligte von damals auf eine Entschuldigung des Staates.
Wir gingen schweigend und tief betroffen aus dem Saal. Manche Kinobesucher hatten Tränen in den Augen. Während der Heimfahrt ließ meine Liebste fallen, dass ihre Kinder - zwei davon studieren, die jüngste macht nächstes Jahr Abitur - noch nie von Wackersdorf gehört hätten.
Unlängst ist die Polizei im Hambacher Forst gegen Baumbesetzer vorgegangen. Der Abbau von Braunkohle hat dort noch im Jahr 2018 höchste Priorität. Gleichzeitig schwärmt uns die Autoindustrie von sauberen Elektroautos vor. Aber wo soll eigentlich der zusätzliche Strom herkommen?
Wenn ich mir dann die unendlich lange Liste der Hürden und Schwierigkeiten anschaue, die meine Liebste mit ihrem geflüchteten, syrischen Pflegesohn bewältigen muss, dann wird klar, dass auch sie einen Kampf führt. Der Feind ist in diesem Fall die AfD und ihr Umfeld. In Österreich sitzen deren Gesinnungsgenossen schon im Innenministerium und sägen an der Pressefreiheit. Wackersdorf war eine Bewährungsprobe. Und Demokratie ist keine Serviceeinrichtung.

Mittwoch, 3. Oktober 2018

Graswurzelrevolution

Experten und Kritiker auf die Bühne!
Arschlöcher, Hirnwichser und Hosenscheißer
an die Macht!

Künstler*innen im Besprechungszimmer
Ärzte als Versuchskaninchen
Geistliche im Chat

Sonntag, 30. September 2018

Gedanken zum Gedicht »Irgendwo« von H.C. Artmann

Nirgendwo ist irgendwo. Aber wo ist Nirgendwo? Überall? Nein.

Das Irgendwo des Nirgendwo liegt im Auge des Betrachters. Nirgendwo ist ein Ort. Kein Film zeigt ihn auf. Kein Spiegel wirft ihn. Dennoch ist er da. Nur dort, wo unser Blick hinfällt, ist er nicht. Selbst wenn wir unseren Blick überall hinwerfen könnten, das Nirgendwo fänden wir nicht. Das Nirgendwo liegt im Auge dessen, der in die Welt blickt. Blickt ein anderer in diese Augen, liegt das Nirgendwo woanders. Mit dem Nirgendwo ist es wie mit der Wahrheit. Beide liegen irgendwo dazwischen. Das Nirgendwo an und für sich wird keiner erfassen, sondern bestenfalls den Honig unter Kanditen, den vergoldeten Zuckerhut, die Biene aus dem Wabengebilde Immenhäusle.

Aber, so könnte man fragen, wo bleibt das Nirgendwo, wenn es zwei davon gibt? Wenn zum Beispiel ein Mann in die Augen einer Frau blickt und gleichzeitig die Frau in die Augen dieses Mannes? Aus der Sicht des Mannes sind die Augen der Frau die Welt und seine eigenen Augen das Nirgendwo. Aus der Sicht der Frau sind die Augen des Mannes dessen Nirgendwo und ihre eigenen Augen dessen Welt. Und auch wenn die Frau in den Augen des Mannes die Welt sieht, so bleibt das eigene Nirgendwo der Frau für den Mann doch die Welt. Jedes Nirgendwo blickt in eine andere Welt.

Nicht nur in sehenden und blinden Menschen wohnt ein Nirgendwo, sondern auch in einer Turteltaube, in einem Rebstock oder einem Brief mit Adresse, Postporto, Stempel. Unendlich viele Orte Nirgendwo blicken in unendlich viele Welten. Sogar die Kraft einer echten Aktie ist ein Nirgendwo. Was wäre zum Beispiel, wenn unsere echte Aktie sich selbst im Spiegel betrachten könnte? Nun, die Aktie, die sich so wertvoll fühlt, weil ihr die ganze Welt zu Füßen liegt, würde erkennen, dass sie einen Spiegel sieht, aus dem heraus sie von einer Aktie angeblickt wird. Ihre eigene Kraft sähe die echte Aktie dann wohl nirgendwo.

Zum Schluss könnte man noch fragen, wo das Nirgendwo nicht ist. Das Nirgendwo ist überall dort nicht, wo jemand ist. Wenn die Frau zum Beispiel sich selbst mit den Augen des Mannes sieht, dann kommt das Nirgendwo in Bedrängnis. Und wenn der Mann in die Augen der Frau blickt, die durch seine Augen sich selbst sieht, dann wird es wirklich eng für das Nirgendwo. - Der Schlüssel zur Liebe ist die Geduld, der Schlüssel zur Geduld ist die Dankbarkeit. Die Dichter und Dichterinnen dieser Welt nehmen sich die Zeit, um die Orte Nirgendwo dem Reich der Liebe einzuverleiben.

Donnerstag, 23. August 2018

Morgengebet

Lieber Gott, ich danke Dir für diesen Tag,
den mir nie zuvor gewährten;
deine Gegenwart zu segnen und zu spüren,
schenkst Du ihn, Wesen der Liebe;
segne mir meine Sinne und Empfindungen,
mögen meine Sinne segnen, was sie aufnehmen;
meinen Nächsten sollen sie segnen,
segne mein Nächster mich;
gib mir ein reines Herz,
wende Dein Auge nicht von mir;
segne meine Handlungen an diesem Tag
und segne meine Liebsten

Die Meditation ist der Schlüssel zur Atmung,
die Atmung ist der Schlüssel zur Achtsamkeit,
die Achtsamkeit ist der Schlüssel zur Geduld,
die Geduld ist der Schlüssel zur Dankbarkeit,
die Dankbarkeit ist der Schlüssel zur Freude,
die Freude ist der Schlüssel zum Sinn,
der Sinn ist der Schlüssel zu Dir
 
Lieber Gott, ich danke Dir für diesen Tag
und ich danke Dir dafür,
dass Du mich frei atmen lässt;
bitte gib mir die Fähigkeit,
meiner Liebsten so zu begegnen,
dass sie sich bei mir willkommen fühlt;
und bitte hilf mir dabei,
in meinem Tempo zu bleiben
und jeden Stress zu vermeiden
Danke & Amen

Montag, 2. Juli 2018

Kurz, Sebastian:

Der Blender als Aal - eine Biographie (2050)
Der letzte Bundeskanzler Österreichs zieht Bilanz. Sein Resümee: »Letztlich aber habe ich es wie kein anderer geschafft, alle in mir schlummernden Talente souverän zur Entfaltung zu bringen. Auch meine Kritiker werden zugeben müssen: Ich war der Beste. Was die Große Katastrophe um 2030 betrifft, war ich stets bemüht, das Schlimmste abzuwenden. Aber leider bin ich für Fehler, die andere gemacht haben, nicht verantwortlich. Im Rückblick wird jeder und jede irgendwann verstehen, dass es zu meiner Politik keine Alternative gab.«

Montag, 9. April 2018

Wie im Fluge

Wie lange dauern fünf Minuten?
Es kommt darauf an, was man macht. Wenn man im Winter bei Minusgraden auf den Autobus wartet, können fünf Minuten verdammt lange dauern. Wenn man bei frühlingshaften Temperaturen die Vögel beobachtet, können fünf Minuten wie im Fluge vergehen.
Verdammt lange ist es her, dass Alfred H. den Horrorfilm Die Vögel drehte.
In der Süddeutschen Zeitung stand geschrieben, dass in Deutschland frisch geschlüpfte männliche Küken millionenfach geschreddert werden, weil sie ökonomisch wertlos sind.
Das Auftauchen von Störchen im Burgenland korreliert mit der dortigen Geburtenrate statistisch signifikant.
Die größte Belastung der Erdatmosphäre mit Kohlendioxid wird durch den Flugverkehr verursacht.
Raben können sich Menschengesichter merken, ein Mensch jedoch ist unfähig, einen bestimmten Raben wiederzuerkennen.
Vögel bauen Nester, brüten Eier, jagen, fischen, vögeln, sterben.
Wo der Mensch die Finger hat, haben Vögel Flügel.
Hätten Vögel die Gehirne von uns Menschen, würden sie dann hin zur Sonne fliegen, um dort zu verglühen?

Freitag, 16. März 2018

Der höchste Sinn

Sinn ergibt sich erst aus der Perspektive eines wertenden Beobachters. Der letzte und höchste Sinn, Anfang und Ende aller Fragen ist das Eine, das alles umfasst und nichts ausschließt. Für dieses Eine gibt es viele Namen, doch Namen sind Produkte des menschlichen Geistes. Das Eine gäbe es auch dann, wenn es keine Menschen und deren Produkte gäbe. Dass dieses Eine mich, die Menschen und die Welt gewollt hat, kann ich glauben, wissen kann ich es nicht. Wenn ich nun glaube, dass das Eine mich in diesem Universum gewollt hat, kann ich den Sinn meines Daseins nur darin erblicken, mein Potential zum Wohle aller zu entfalten. Mein eigenes Glück ist dafür notwendig, hinreichend ist es nicht.