Auf leisen Sohlen schleicht ein Fremder
Durch die Welt und will dich grüßen
Ob das gefällt oder auch nicht
Die ganze Welt liegt ihm zu Füßen
Sein Plan ist unabänderlich
Er führt ihn aus wie Gott das will
Er vergisst auch nicht auf dich
Und seist du noch so mäuschenstill
Ohne ihn gäb es kein Leben
Ganz zu schweigen von der Zeit
Wir würden uns nicht fortbewegen
Der Augenblick wär Ewigkeit
Er kommt und nimmt dich in sein Reich
Was dir das nackte Leben raubt
Und dann erkennst du totengleich
Das Geheimnis überhaupt
Sonntag, 29. Januar 2017
Freitag, 27. Januar 2017
Liebeserklärung
Ich liebe dich
Du liebst mich
Wir lieben uns
Du liebst dich
Ich liebe mich
Wir lieben uns
Ich liebe uns
Wir lieben mich
Du liebst uns
Wir lieben dich
Wir lieben uns
Ich liebe dich
Wir lieben uns
Wir lieben das
Du liebst mich
Wir lieben uns
Du liebst dich
Ich liebe mich
Wir lieben uns
Ich liebe uns
Wir lieben mich
Du liebst uns
Wir lieben dich
Wir lieben uns
Ich liebe dich
Wir lieben uns
Wir lieben das
Donnerstag, 19. Januar 2017
Rumpelstilzchen 2017
Es war einmal
eine arme Müllerstochter, die für ihren König Stroh zu Gold spinnen musste,
weil ihr eigener Vater das so eingefädelt hatte. Sie selbst verstand zwar
nichts davon, aber ein kleines Männchen bot ihr einen Handel an. Sie sollte ihm
zunächst ihr Halsband und dann ihren Ring vom Finger geben. Im Gegenzug
schnurrte das Männchen mit dem Spinnrad und über Nacht war beide Male alles
Stroh zu Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick,
war aber noch nicht des Goldes satt. Er ließ die Müllerstochter ein drittes Mal
in eine Kammer voll Stroh bringen und sprach: »Die musst du noch in dieser
Nacht zu Gold spinnen. Gelingt es dir, so sollst du meine Gemahlin werden.«
Wenn es auch nur eine Müllerstochter ist, dachte er, eine reichere Frau finde
ich in der ganzen Welt nicht. Als das Mädchen allein war, kam das Männchen zum
dritten Mal wieder und sprach: »Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das
Stroh zu Gold spinne?« »Ich habe nichts mehr, das ich dir geben könnte«,
antwortete das Mädchen. »So versprich mir«, sagte das Männchen, »wenn du
Königin wirst, dein erstes Kind.« - Das darf ich nicht tun, dachte die
Müllerstochter, ich würde es sicherlich eines Tages bereuen. Da wurde sie sehr
traurig und versank in eine tiefe Depression. Das Männchen aber sah, dass mit
dem Mädchen in dieser Nacht kein Handel zu machen war und verschwand lautlos.
Am Morgen
erwachte der König und war in allerbester Laune, fiel ihm doch gleich die
Kammer voller Gold ein, in die er nun gehen würde. Doch diesmal sollte er
enttäuscht werden. Als er nämlich in die Kammer trat, sah er nichts als Stroh.
Da wurde er sehr wütend und schrie das Mädchen an: »Das wird dich dein Leben
kosten!« Doch das Mädchen blickte ihm ruhig in die Augen und sprach: »Lieber
will ich sterben als deine Gemahlin werden.« Und weil die Müllerstochter schön
war, versetzte ihre Bemerkung dem König einen Stich ins Herz. Der König war nun
außer sich vor Erregung. Er ließ die Kammer mit dem Stroh und dem Mädchen fest
verriegeln und eilte in seine Gemächer, um zu überlegen, was nun zu tun sei.
Als er sich einigermaßen gefangen hatte, fielen ihm die zwei Kammern voller
Gold wieder ein, die das Mädchen bereits gesponnen hatte. Vielleicht habe ich
diese Müllerstochter unterschätzt, dachte er für sich. Da ging die Türe auf und
herein kam das kleine Männchen und sprach: »Guten Tag, lieber Herr König, wie
ich sehe, hat Er Sorgen. Ich würde Ihm gerne helfen.« »Ach«, sagte der König,
»ich habe ein schönes Mädchen im Keller, das Stroh zu Gold spinnen kann. Doch
sie will weder Gold für mich spinnen noch meine Gemahlin werden. Sie ist
renitent und macht mich wütend.« Da sagte das Männchen: »Ich kenne dieses
Mädchen und ich versichere Dir, Du wirst ihr Herz nie erobern. Dafür bist Du
nämlich zu gierig. Ich kann Dir nur raten: Lass das Mädchen frei, sonst wirst
Du all Dein Gold verlieren.« Da wurde der König traurig und fühlte sich mit
einem Male schuldig. Er stieg hinab in die Kammer, wo das Mädchen in einer Ecke
saß und vor sich hin starrte. Da die Müllerstochter nicht ansprechbar war, ließ
der König seine Ärzte kommen, die sie untersuchten. Einer von ihnen meinte, die
Müllerstochter sei von einem Dämon besessen, ein anderer vertrat die Ansicht,
man müsse sie zurück zu ihrem Vater bringen, ein dritter schließlich empfahl
die Überstellung in ein Kloster. Dem König war nun alles egal. Er verließ die
Kammer, ging zu seinem Gold und vergaß das Mädchen. Er sollte in seinem Leben
das Glück und die Liebe niemals kennen lernen.
Das Mädchen aber verließ das Schloss und kehrte nicht zu
seinem Vater zurück. Es ging in die weite Welt hinaus, dankbar für das, was
passiert war. Es hatte das Gefühl gewonnen, dass nichts es davon abhalten
könne, sich selbst treu zu bleiben. Das Männchen jedoch, dessen Namen niemand
kennt, treibt noch in unseren Tagen sein Unwesen.
Mittwoch, 18. Januar 2017
Wut
»Wohin mit meiner Wut?«
(AUS MEINEM JOURNAL)
Wenn wir wütend sind, brauchen wir
ein Ventil. Dieses Ventil kann ein Gespräch mit einem Menschen sein, der uns
versteht. Wenn es keinen Menschen gibt, mit dem sich reden lässt, kann man
schreiben. Man kann seine Wut ausdrücken ohne jemanden zu verletzen. Man kann
tanzen, trommeln, Holz hacken, laufen, ..., wir können die Wut körperlich
ausagieren.
Wut ist Energie. Ich habe einmal den Satz
gedichtet: »Liebeswut tut gut.« Aber was ist Liebeswut? Die Liebeswut ist nur
ein weiterer Begriff für die Manie. Manie ist Liebeswut. Wir sollten diese
Liebeswut nicht ungenützt verpuffen lassen. Sie ist kostbar. Suchen wir für
unsere Wut einen Karren, den wir aus dem Dreck ziehen wollen. Dasjenige zu
bekämpfen, das uns wütend macht, steigert nur unsere Wut. Den Karren, der im
Dreck steckt, sollten wir nicht zu unserem Karren machen. Der Karren
sollte uns nicht wütend machen. Wir brauchen diesen Karren, damit er unsere Wut
lindert. Und wenn der Karren wieder läuft, dann haben wir statt der Wut ein
neues Gefühl: Befriedigung.
Für seine innersten
Wünsche zu beten, ist eine gute Sache. Aber wir sollten das nicht tun, solange
wir wütend sind. Das Gebet ist dann am wirkungsvollsten, wenn wir es mit einem
Gefühl der Dankbarkeit verbinden. Wenn wir wütend sind, dann sollten wir
zupacken, leichte Handgriffe erledigen und die Geduld suchen. Die Wut verleitet
uns dazu, zu schnell zu viel zu wollen. Wir sollten weniger wollen und
langsamer werden. Ist der Gefühlshaushalt erst wieder im Gleichgewicht, sind
wir am kreativsten.
In einer Kirche können wir Ruhe finden, in
der Natur, am Wasser, im Wald, im Umgang mit Tieren, im Umgang mit Büchern, im
Umgang mit einem Musikinstrument. Aus der Wut heraus entstehen die schönsten
Dinge: Musik, Theater, Literatur, Malerei, Aktionskunst, ..., die Mülltrennung,
das Recycling, das Upcycling. Wut ist Energie und muss in den Kunstkreislauf
zurückgebracht werden. Alles andere ist Verschwendung.
»Wenn man bis zum Hals
in der Scheiße steht, bleibt einem nichts übrig als zu singen«, sagte Samuel
Beckett. »Wenn alle Stricke reißen, dann hänge ich mich auf«, meinte Johann
Nestroy. Also bitte: Die Welt ist doch voller Lösungen! Worauf warten wir noch?
Wir hocken untätig vor unseren Computern und sind wütend auf die anderen, die
auch untätig vor ihren Computern hocken? Klar: »Warum sollte ich
beginnen, etwas zu tun? Das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Und
überhaupt: ich will meine Ruhe haben ...«
Was fehlt uns
eigentlich? Suchen wir eine Idee? Nun, am besten sind immer noch die eigenen
Ideen. Für jeden Menschen, für jede Gruppe, für jede Gemeinschaft sind die
eigenen Ideen die besten. Wir dürfen also nicht warten, bis uns jemand eine
gute Idee serviert. Wir müssen unsere Ideen selbst kreieren. Wie man das macht?
Man macht sich regelmäßig Notizen.
Unsere Wut braucht ein Ventil. Die
Welt ist voller Karren, die im Dreck stecken. Aber wütende Postings, welche die
Unfähigkeit unserer Politiker anprangern, nützen wenig. Wir merken das daran,
dass ein wütendes Posting unsere Wut nicht lindert. Wütende Postings sind
kontraproduktiv.
Sonntag, 15. Januar 2017
Warnung
Die Lust am Genuss ist
der Anfang vom Ende,
das Ende vom Anfang
der Genuss an der Lust
Im Garten der Lüste
nahm der Anfang sein Ende;
die Lust am Genuss ist
der Anfang vom Ende
des Leids
der Anfang vom Ende,
das Ende vom Anfang
der Genuss an der Lust
Im Garten der Lüste
nahm der Anfang sein Ende;
die Lust am Genuss ist
der Anfang vom Ende
des Leids
Samstag, 14. Januar 2017
Dreißig Prozent
Träume und
Wünsche entführen meine Gedanken in eine schönere Welt. In meinen Träumen bin
ich verliebt, erfolgreich und glücklich. In der Realität sind die Dinge leider
anders. Hochtrabende Wünsche können leicht zu Enttäuschungen führen. Wenn ich
mir die Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit vor Augen halte, erscheint
mir mein Leben von Leid geprägt. Ist es deshalb falsch zu träumen? Soll ich
meine Wünsche deshalb vergessen?
Wenn ich in der Früh aufwache und ich habe keine Hoffnungen
für den Tag, dann fällt es mir schwer, das Bett zu verlassen. Ich möchte dann
am liebsten wieder einschlafen und alles vergessen. Im Extremfall möchte ich
überhaupt aufhören zu existieren. Da ich Hoffnungen brauche, brauche ich auch
meine Wünsche und Träume. Wie kann ich aber meine Hoffnungen bewahren, ohne
unter den Enttäuschungen zu leiden?
Die Redewendung
„weniger ist mehr“ liefert mir eine Antwort. In meinen Träumen und Wünschen
will ich hundert Prozent. Wenn ich auf diese hundert Prozent hoffe, dann werde
ich enttäuscht werden. Ich werde leiden, weil sich meine Träume und Wünsche
nicht realisieren lassen. Null Prozent zu hoffen ist nicht motivierend. Was
darf ich also hoffen? Wie stark soll ich an meine eigenen Träume glauben? Von
meiner Therapeutin habe ich eine Antwort bekommen, die mich seither
beschäftigt. Sie meinte, ich könne auf dreißig Prozent hoffen.
Dreißig Prozent?
Was bedeutet das? Nun, dreißig Prozent sind zunächst einmal weniger als die
Hälfte. Das entlastet mich. Hundert Prozent sind bei mir nämlich so viel, dass
mich jeder Glaube an sie von vorneherein blockiert. Auf der anderen Seite sind
dreißig Prozent mehr als die Hälfte von der Hälfte von hundert Prozent. Das ist
nicht nichts. Wenn ich also hergehe und sage, ich schreibe einen Roman, und
wenn ich gleichzeitig sage, dreißig Prozent sind genug, dann liegt die Latte
gerade so hoch, dass ich drüber komme, und außerdem habe ich eine Aufgabe, die
mich morgens aus dem Bett bringt.
Fünfzig Prozent
wären mir zu viel. Mit fünfzig Prozent bekäme ich in der Schule gerade ein
Genügend. Weniger ist mehr. Mit den dreißig Prozent liege ich gerade richtig.
Denn das sind immerhin dreißig Prozent meiner Träume und Wünsche. Das ist mehr als sie mir in der Schule bieten konnten.
Vor ein paar
Tagen habe ich mit einer Freundin telefoniert, die wie ich unter einem hohen
inneren Erwartungsdruck leidet. Ihr habe ich von den dreißig Prozent erzählt.
Sie meinte nur, ihr wären dreißig Prozent zu wenig. Am liebsten wären ihr
hundert Prozent. Da habe ich mir gedacht, dass es gar nicht leicht ist, sich
von den hundert Prozent zu trennen. Genau deshalb reizt mich die Sache. Wenn
ich hundert Prozent gewollt hätte, hätte ich diesen Artikel nie geschrieben.
Weil dreißig Prozent genügen sollen, bin ich bis hierher gekommen. Meine Freundin
klagt inzwischen weiterhin über großen inneren Druck und darüber, dass sie ihr
Leben nicht so leben kann, wie sie es eigentlich möchte.
Bei mir bemerke
ich folgendes: Seitdem ich mir nur mehr dreißig Prozent meiner Wünsche erhoffe,
habe ich wieder mehr Mut zum Träumen.
Freitag, 13. Januar 2017
Der Regentropfen Leopold
Die
Geschichte eines Regentropfens kennt der Mensch am ehesten von ihrem Ende her.
Ein Regentropfen klatscht auf den Asphalt oder das Autodach, zerplatzt in
tausend Teile und hört zu existieren auf, noch ehe der interessierte Beobachter
den herab fallenenden Tropfen so richtig wahrgenommen hat.
Drehen wir jedoch das
Rad der Zeit zurück in eine Richtung, aus der die Zeit kommt, lassen wir den
Regentropfen also nicht fallen sondern in die Höhe sausen, dann müssen wir dem
Tropfen schließlich auch eine Geburt zubilligen – es ist nicht anders als bei
einem Menschen. Der Vergleich mit einem Menschen hinkt übrigens nur bedingt.
Wer kann etwa mit Bestimmtheit sagen, dass für die Zukunft eines frisch
geborenen Regentropfens niemand Hoffnungen hegt? Wer kann ausschließen, dass
ein junger Regentropfen nach den ersten paar Metern freien Falls eine Art
Pubertät erlebt? Diese könnte – wäre der Tropfen sich seiner Existenz bewusst –
dadurch entstehen, dass der Pubertierende das Ende seines Wachstums bemerkt. Ich
falle, also bin ich, könnte die erste Einsicht unseres jungen Tropfens
lauten. Und weil es sich in diesem Fall um einen besonderen Tropfen handelt,
braucht er auch einen Namen: Polderl, von Leopold.
Polderl ist in unserer Geschichte
ein paar Sekunden alt, hat gerade sein Wachstum abgeschlossen, weiß um sich
selbst, schlittert in die erste Lebenskrise und denkt über seine Zukunft nach.
Er will nicht enden wie alle anderen Regentropfen – er will etwas Besonderes
werden. Er will einmal der Regentropfen sein, der das sprichwörtliche Fass zum
Überlaufen bringt. Eine schöne Karriere, denkt er. Es wäre doch toll, wenn er
Geschichte schreiben könnte, dann bekäme sein Dasein einen Sinn.
In dieser Phase
ungehinderten freien Falls ist es beinahe windstill um Polderl, lautlos und einsam
segelt er der Erde und seinem Ende entgegen, da versteht Leo – wie er sich
jetzt nennt – plötzlich den tieferen Sinn und Zweck allen Daseins, nicht nur
seines eigenen im Speziellen, sondern auch den vom großen Rest des Universums.
Man könnte diesen Zustand besonderer Erkenntnis »Erleuchtung« nennen. Da Leo
aber ein waschechter Regentropfen ist, passt der Begriff »Klärung« vielleicht
besser. Wenn nun ein anderer Regentropfen ihn fragen würde, Herr Leopold, was
ist denn der tiefere Sinn und Zweck allen Daseins?, dann würde Leo – weil es
seine Art ist, sich kurz und bündig zu fassen – sagen: Sinn und Zweck von
allem ist, die Zeit zu überwinden, im Augenblick die Ewigkeit zu finden, vom
Ende weg zum Anfang hin zu leben. Der andere Regentropfen würde dann vielleicht
sagen, dass er da was nicht ganz verstehe, die Geschichte aller Regentropfen
zeige doch deutlich, dass das Leben einen Anfang und ein Ende habe und dass
jeder Regentropfen in seiner Einzigartigkeit nur einmal lebe, und zwar vom
Anfang weg zum Ende hin und dann ist Schluss, das Leben sei doch mit dem Ende
unwiederbringlich vorbei, woher die vielen neuen Regentropfen alle herkämen,
sei mit dem Verstand eines Regentropfens eben nicht zu klären, da könne man
philosophieren so viel man wolle.
Leo würde dann weise
wissend vor sich hin lächeln, aber zu diesem Interview kommt es ja nie, einfach
weil die Regentropfen heutzutage nichts anderes im Sinn haben, als möglichst
schnell zur Erde zu fallen. In diesem Augenblick wird Leo bewusst, dass seine
Besonderheit nicht zu einem Gefühl des Stolzes oder gar der Überheblichkeit
führen darf. Die Klärung ist schließlich nicht sein Verdienst, sie ist das
Geschenk des großen Schöpfers, von dem die Regentropfen seit Ewigkeiten
erzählen, er habe zuallererst das Wasser geschaffen und erst danach das Licht,
denn – logischer Beweis – wo kein Wasser ist, kann auch kein Licht aufleuchten.
Aber, so denkt Leo, vielleicht war ja auch alles ganz anders als die alten
Geschichten der Regentropfen erzählen.
Im nächsten Moment kommt Leo in den
Sinn, dass seine Existenz von der Zeit abhängt, denn er wäre nicht der, der er
nun ist, wenn davor nicht etwas gewesen wäre, aus dem heraus er entstanden ist.
Leo fängt an, an seiner Erkenntnis von früher zu zweifeln. Ist es überhaupt
möglich, die Zeit zu überwinden? Würde die Zeit nicht vielmehr ihn überwinden?
Was wäre, wenn der Schöpfer zuallererst die Zeit geschaffen hat, von der alles
abhängt? Ja ist es sogar möglich, dass der Schöpfer eine Schöpferin ist,
nämlich die Zeit selbst?
Das ist der Augenblick
Leos zweiter Klärung. Die Zeit wird zu seiner Schöpferin und er will nur ihr
dienen und sonst niemandem. Leopold beginnt sein Fallen zu genießen. Er freut
sich seines Fallens und er freut sich auf sein Ende, ob dieses nun bedeutsam
sei oder nicht. Es geht – so denkt er nun – im Leben eines Regentropfens doch
nur darum, sich der Freude am freien Fall hinzugeben. Und genießen kann er nur,
wenn er sich dem Lauf der Zeit fügt. Und weil die Zeit immer wieder alles
ändert, kann auch diese Klärung nicht endgültig sein. Sogar das wird Leo nun
bewusst. Er ist eben ein ungesättigter Regentropfen, der jede Anregung für eine
neue Klärung gierig in sich aufnimmt. Es muss nur ein wenig Zeit vergehen und
er bekommt eine neue Luftschicht zu spüren, die ihn wiederum auf einen neuen
Gedanken bringt. Ein Regentropfen fällt nur einmal, ist jetzt seine
Lebensphilosophie. Diese steht ohne Zweifel im Widerspruch zu seiner früheren.
Als Polderl noch pubertierte, wollte er die Zeit überwinden, oh Gott, war das
naiv. Er muss nun über sich selbst lachen.
Aber andererseits,
gemahnt ihn sein ausgeprägtes Sensorium für Klärungen, kann nicht ganz falsch
gewesen sein, was er früher für richtig hielt, sowie nicht ganz richtig sein
kann, was er jetzt denkt. Es kann im Leben eines Regentropfens eben nur
vorübergehende Klärungen geben. Genauso, wie Leo von einer Luftschicht in die
nächste gleitet, kann er nur von einem Gedanken zum nächsten übergehen, aber er
kann nie zu einem letzten endgültigen Gedanken finden, weil, wenn ein Gedanke
endgültig wäre, wäre die Zeit tot.
Und so denkt und fällt Leo, bis auch für ihn das Ende kommt. Er
zerplatzt in tausend Teile und hört zu existieren auf. Leo wird nie in die
Geschichte eingehen, weil kein Fass überläuft und auch sonst nichts Bedeutendes
geschieht. Warum wir überhaupt von Leo und seinem Leben wissen? Die Zeit selbst
hat alles aufgeschrieben.
Donnerstag, 12. Januar 2017
Von der Treue
Wo die Liebe sich nicht täglich frei entfalten kann,
leiden erst
die Frau und dann der Mann
Drum gilt, dass stets der Mann die
Freiheit suchen muss
und dass die Frau sich traut, dem Mann die Freiheit auch
zu lassen
Denn nur der Mann, der seine Freiheit nicht benutzt,
mit
einer fremden Frau sich näher einzulassen,
wird täglich neu sich nach der wahren Liebe sehnen
Sonntag, 8. Januar 2017
Wünsche
An einem sonnigen Wintertag
schmilzt Schnee auf der Veranda,
und wie der Zufall das vermag,
begegnen wir einander
Am Anfang kommen wir uns näher,
um den Moment zu wählen,
da mensch beginnt, von sich und je her
dem andern zu erzählen
Auf allen Ebenen wird klar:
niemand hat das Nachsehn;
wir werden dessen bald gewahr,
dass wir beide wachsen
Wir sind vertraut ganz ohne Trübung,
was nur bedeuten soll:
Geborgensein - und die Beziehung
ist, sagt man, liebevoll
Ich, der Mann, komm frei heraus
mit Sinnen und Gefühlen;
du, die Frau, eilst mir voraus,
das Leben zu durchwühlen
schmilzt Schnee auf der Veranda,
und wie der Zufall das vermag,
begegnen wir einander
Am Anfang kommen wir uns näher,
um den Moment zu wählen,
da mensch beginnt, von sich und je her
dem andern zu erzählen
Auf allen Ebenen wird klar:
niemand hat das Nachsehn;
wir werden dessen bald gewahr,
dass wir beide wachsen
Wir sind vertraut ganz ohne Trübung,
was nur bedeuten soll:
Geborgensein - und die Beziehung
ist, sagt man, liebevoll
Ich, der Mann, komm frei heraus
mit Sinnen und Gefühlen;
du, die Frau, eilst mir voraus,
das Leben zu durchwühlen
Freitag, 6. Januar 2017
»Was machst du gerade?«
Ich stelle mir die alles entscheidende Frage:
Was will ich jetzt tun?
Ich stelle mir die alles entscheidende Frage:
Was will ich jetzt tun?
Dienstag, 3. Januar 2017
Montag, 2. Januar 2017
Die Zeit allein
Die Zeit allein
heilt meine Wunde nicht;
die Zeit braucht Liebe
und diese braucht die Zeit;
Zeit und Liebe brauchen
ein Gesicht,
denn wo ein Lächeln ist,
kann aus der Wunde,
die ich meine,
ein Wunder erst
ganz neu entstehn
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