Dienstag, 24. März 2020

Stoßgebet

Lieber Gott, liebe Schutzengel, liebe Ahnen,
bitte helft mit, dass jeder Mensch
seine Lehren aus der aktuellen Krise ziehe
und sein Verhalten entsprechend ändere,
damit es künftig auf dieser Welt
gerechter und friedlicher zugehe;

wir wünschen uns eine solidarische Weltordnung
und keine egomanische Rechthaberei;

die Menschen mögen erkennen,
dass das ständige Streben nach Mehr
von der Angst getrieben ist,
nicht genug zu bekommen;
die Menschen mögen erkennen,
dass das Hamstern von Derivaten
ungleich problematischer ist
als das Hamstern von Klopapier.
Lieber Gott, liebe Schutzengel, liebe Ahnen,
bitte lasst Hirn niederprasseln!
Danke & Amen

Freitag, 20. März 2020

Bauchgefühl

Bin gestern bei Karl-Heinz Brodbeck und seiner Kritik an Silvio Gesell gelandet. Das Thema Zinskritik poppte auf, weil der Corona-Kritiker Dr. Wolfgang Wodarg in einem "Interview" mit der Wissensmanufaktur gegen die Corona-Hysterie polemisierte. Die Wissensmanufaktur ist ein Kind der Zinskritiker. Sie liefert Nahrung für Verschwörungserzähler, Rechtspopulisten, Sektenmitglieder und Systemkritiker aller Art. Brodbeck zerlegt die Zinskritik von Silvio Gesell nach allen Regeln der Kunst. Aber wer hat Brodbeck wirklich verstanden?
Sein Werk ist eine Kritik an der Ratio. Die Ratio ist die berechnende Vernunft und erscheint als Zahl, Preis, Geld, Mathematik und mechanistisches Weltbild. Uns fehlt eine andere Art von Vernunft - aber welche?
Menschen werden durch den Glauben ans Geld zu einer Gesellschaft. Wenn dieser Glaube wegbricht, zerbröselt das Gesellschaftssystem. Allerdings entpuppt sich die Ratio als eine Intelligenz, die das Geldvermögen der Vermögendesten auf Kosten der anderen vermehrt, nicht ohne dabei die Lebensgrundlagen aller zu zerstören. Die aufgeklärte Weltgesellschaft handelt dabei wie eine gewissenlose Maschine.
Was wir brauchen, ist eine Rückbesinnung auf unser Bauchgefühl. Erst wenn wir die Welt in unseren Eingeweiden spüren, können wir weg von einer berechnenden hin zu einer empathischen Vernunft gelangen.

Montag, 9. März 2020

Was hält eine Frau und einen Mann ein Leben lang zusammen?


Es ist dies der unbedingte Wille beider Beteiligten, alles miteinander zu überstehen, was die Beziehung in Frage stellen könnte. Doch der unbedingte Wille kann bröckeln. Wir müssen uns also fragen, was den Willen stärkt. Der Wille ist stark, wenn die Beziehung beiden Beteiligten gut tut. Der Wille schwächelt, wenn die Beteiligten leiden. Eine gesunde Beziehung tut gut. Doch was ist gesund?
Einen Luftballon unaufhaltsam aufzublasen, bis er platzt, ist – für den Luftballon – ungesund. Das Ausatmen nach dem Einatmen sowie das Einatmen nach dem Ausatmen ist – für den Atmenden – gesund. Die Versöhnung von Gegensätzen, die Ausgewogenheit, die Abwechslung, die Kreativität sind gesunde Prinzipien. Die Dominanz des einen über den anderen, Ungerechtigkeit, Starrsinn und Phantasielosigkeit sind ungesunde Prinzipien. Die Welt entwickelt sich ständig und ebenso tun das die Menschen. Eine Beziehung funktioniert nicht nach Rezept. Sie ist so wenig berechenbar, wie Gott berechenbar ist. Keine Regel kann irgendetwas garantieren. Die Wirklichkeit hält sich nicht an Regeln. Selbst die physikalischen Gesetze bestimmen nicht die Welt. Es ist vielmehr umgekehrt: Die Welt determiniert die physikalischen Gesetze.
Und die Mathematik? Die Mathematik sagt uns, wieviel zwei plus zwei ist. Aber sie kann uns nicht sagen, wieviel zwei Äpfel plus zwei Birnen sind. Würden wir behaupten, zwei Äpfel plus zwei Birnen seien vier Stück Obst, dann hätten wir – aus mathemaischer Sicht – recht, aber auch zwei Äpfel plus zwei Bananen sind vier Stück Obst. So gesehen wären vier Stück Obst und vier Stück Obst gleichzeitig das Gleiche und voneinander verschieden, was offensichtlich Unsinn ist.
Luise und Anton brauchen für ihre Beziehung den Apfel eins der Sorte a plus die Birne zwei der Sorte b. Luigi und Arabella hingegen brauchen für ihre Beziehung den Apfel drei der Sorte c plus die Birne vier der Sorte d. Wie will man also die Beziehung von Luise und Anton mit der von Luigi und Arabella vergleichen?
Luise (53) ist Krankenschwester und Mutter von drei Kindern. Anton (57) ist Architekt und kinderlos in die Ehe mit Luise eingetreten. Luigi (27) ist Maurer und italienischer Abstammung. Arabella (29) arbeitet in der Küche eines Landgasthofs und hofft immer noch, dass Luigi ihr endlich einen Heiratsantrag macht. Luigi trinkt gerne trockenen Rotwein, Anton liebt dunkles Bier. Der eine ist ein hervorragender Tischtennisspieler, der andere kann Kant und Schopenhauer zitieren. Aber was sagt das über das Glück der beiden Frauen aus? Luise ist glücklich, wenn Anton ihr den Rücken massiert. Arabella schwebt im siebenten Himmel, wenn Luigi ihr ein Wiegenlied aus seiner Heimat ins Ohr summt.
Was zwischen zwei Menschen passiert, hat mit Mathematik nichts zu tun. Und doch glauben viele Ökonomen, sie können das Verhalten der Menschen vorausberechnen. Und nach jeder Fehlprognose stellen sie neue, noch kompliziertere Berechnungen an, mit denen sie vergangene Fehleinschätzungen zu erklären versuchen.
Der unbedingte Wille von Mann und Frau hält die beiden ein Leben lang zusammen. Der Wille bestimmt die Entscheidungen und diese bestimmen die Welt. Gäbe es den politischen Willen zu einer gesunden Welt, würden wir uns nicht länger von den »ökonomischen Gesetzen« blenden lassen. Darum sage ich: Menschen aller Länder, entmachtet die Blender!

Sonntag, 1. März 2020

Der Prophet


Alle erwachsenen Mitglieder der Gemeinde haben sich in der Höhle versammelt. Sie wollen das Wort des Propheten hören. Die Menschen stehen dicht gedrängt in dem natürlichen Hohlraum, der seit Urzeiten die heiligste Stätte des Dorfes bildet, tief im Inneren eines unscheinbaren Berges.
Der Prophet ist ein heiliger Mann, der wahre Wunder vollbringt. Von ihm geht ein Licht aus, das die Höhle hell erleuchtet. Nur die Menschen des Dorfes kennen dieses Geheimnis. Bei Tageslicht ist der Heiligenschein des Mannes unsichtbar. Draußen in der Welt ist der Prophet ein einfacher Bürger.
Nicht der Prophet hat die Menschen des Dorfes zu sich gerufen, die Menschen haben den Propheten gebeten, zu ihnen zu sprechen. »Sprich zu uns«, haben sie gesagt, »was sollen wir gegen den Klimawandel tun?«
Der Prophet hat sie in die Höhle gebeten und dort sagt er: »Fragt euch nicht, was ihr tun sollt. Fragt euch vielmehr, was ihr tun wollt, jeder für sich, zu zweit, in der Gruppe, alle gemeinsam. Und wenn ihr die Antwort kennt, redet nicht darüber, sondern tut es einfach. Nicht nur Gott wird euch dafür belohnen. Ihr selbst werdet froh sein, weil ihr euren Teil beigetragen habt. Hört auf, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Seid Vorbilder und handelt so, wie ihr es von den anderen erwartet.«
»Ja, aber die Politik!«, ruft einer dazwischen.
Der Prophet aber antwortet: »Macht euch selbst zu politisch aktiven Menschen. Nehmt euch die Macht, die euch zusteht, und übt politischen Druck aus.«
Darauf sagt niemand mehr etwas und alle beten zu Gott und bitten um seine Hilfe.