Samstag, 4. Oktober 2025

Der Apfel

Mitten in der Nacht wachte ich auf und hatte Angst. Ich hatte übel geträumt. In meinem Traum ging es darum, dass ich verfolgt wurde. Es waren Tiere, die mich verfolgten, klein und zahlreich. Waren es giftige Spinnen? Aggressive Ameisen? Hungrige Skorpione? Das wusste ich nicht mehr. Ich wollte fliehen, davonrennen, und kam nicht vom Fleck. Dann bin ich aufgewacht. In mir pulsierte eine glühende Angst.
Was machst du jetzt, fragte ich mich. Ich stand auf, ging aufs Klo, trank einen Schluck Wasser, aß ein Stück Schokolade und legte mich wieder ins Bett. Doch die Angst steckte mir unverändert in den Gliedern.
Ich musste an die weltpolitische Lage denken. Alles wird eskalieren, dachte ich. Auf jede Drohung wird eine stärkere Drohung folgen, Aufrüstung wird mit Aufrüstung beantwortet und bald wird ein verheerender Krieg losbrechen, der alles, was die Welt bisher gesehen hat, in den Schatten stellt. 
Ich atmete schwer. Das tiefe Ein- und Ausatmen verschaffte mir keine Erleichterung. Die Angst umklammerte meine Brust wie ein Korsett aus Metall, das mich zu ersticken drohte. Ich atmete gegen den Tod an.
Dann kam mir ein Bild in den Sinn. Ich sah einen Apfel im freien Fall. Ich wusste sofort, der Apfel bin ich, und die Angst ist der drohende Aufprall. Und dann sah ich, wie der Apfel von einer Wasserfontäne aufgefangen wurde. Schließlich wippte der Apfel auf dem Wasserstrahl auf und ab und langsam verschwand die Angst.
Der drohende Krieg gewann seine Normalität zurück. Ich wusste, ich kann diesen Krieg nicht verhindern. Vielleicht kann ich ohne Angst sterben, dachte ich. Ich schloss die Augen und nährte den Wasserstrahl mit meinem Atem. Ich sah einen riesigen Apfel durchs All gleiten. In dieser Sekunde drückte weit entfernt ein feindlicher General auf einen roten Knopf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen