Samstag, 8. August 2015

Vom Lesen

Am Himmel standen Wolkenfetzen. Nur an den sich sanft wiegenden Blätterwerken in den Baumkronen glaubte ich ablesen zu können, dass es sich bei den Wolken nicht um gemalte Kulissen handelte. Ich befand mich im Garten meiner Tante in Bregenz, an einem der idyllischsten Plätze, die ich kenne. Noch schöner war es zu dieser Jahreszeit nur im nahegelegenen Bodensee.
Mit dem letzten Schluck aus einer Flasche naturtrüben Radlers hatte ich plötzlich etwas Lebendiges in meinem Mund - sofort spuckte ich alles auf den Rasen. Die Zunge schmerzte. Mein erster Gedanke war, dass eine geschwollene Zunge meine Atemwege nicht blockieren würde. Ich ging in die Garage, um in einem kleinen Wandspiegel meine Zunge zu betrachten.
Langsam wurde mir klar, dass ich mir den Schmerz nur eingebildet hatte. Die Zunge war heil geblieben. Ich kehrte zu meinem Platz im Garten zurück. Die Formation der Wolkenfetzen hatte sich inzwischen deutlich verändert.
Ich habe mit Sicherheit noch nie einen Menschen an den Folgen eines Wespenstichs ersticken sehen. Wahrscheinlich habe ich eine Geschichte dieser Art irgendwann irgendwo gelesen. Und vielleicht hat die darin liegende Dramatik Spuren in meinem Unterbewusstsein hinterlassen. Die Wespe in meinem Mund hatte ich jedenfalls reflexartig ausgespuckt.

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