Sonntag, 1. März 2020

Der Prophet


Alle erwachsenen Mitglieder der Gemeinde haben sich in der Höhle versammelt. Sie wollen das Wort des Propheten hören. Die Menschen stehen dicht gedrängt in dem natürlichen Hohlraum, der seit Urzeiten die heiligste Stätte des Dorfes bildet, tief im Inneren eines unscheinbaren Berges.
Der Prophet ist ein heiliger Mann, der wahre Wunder vollbringt. Von ihm geht ein Licht aus, das die Höhle hell erleuchtet. Nur die Menschen des Dorfes kennen dieses Geheimnis. Bei Tageslicht ist der Heiligenschein des Mannes unsichtbar. Draußen in der Welt ist der Prophet ein einfacher Bürger.
Nicht der Prophet hat die Menschen des Dorfes zu sich gerufen, die Menschen haben den Propheten gebeten, zu ihnen zu sprechen. »Sprich zu uns«, haben sie gesagt, »was sollen wir gegen den Klimawandel tun?«
Der Prophet hat sie in die Höhle gebeten und dort sagt er: »Fragt euch nicht, was ihr tun sollt. Fragt euch vielmehr, was ihr tun wollt, jeder für sich, zu zweit, in der Gruppe, alle gemeinsam. Und wenn ihr die Antwort kennt, redet nicht darüber, sondern tut es einfach. Nicht nur Gott wird euch dafür belohnen. Ihr selbst werdet froh sein, weil ihr euren Teil beigetragen habt. Hört auf, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Seid Vorbilder und handelt so, wie ihr es von den anderen erwartet.«
»Ja, aber die Politik!«, ruft einer dazwischen.
Der Prophet aber antwortet: »Macht euch selbst zu politisch aktiven Menschen. Nehmt euch die Macht, die euch zusteht, und übt politischen Druck aus.«
Darauf sagt niemand mehr etwas und alle beten zu Gott und bitten um seine Hilfe.

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