Lieber Gott, Vater unser im Himmel, ich frage dich: Kann es eine Menschheit ohne Kriege geben?
Ich kann mir vorstellen, dass du
dir eine Menschheit ohne Kriege nicht vorstellen kannst. Dabei wäre genau das
die Voraussetzung für eine Menschheit ohne Kriege: Dass Menschen damit
beginnen, sich eine Menschheit ohne Kriege vorzustellen.
Eine Voraussetzung dafür, dass
niemand einen Krieg beginnt, wäre Gerechtigkeit. Aber was ist gerecht?
Ich kann mir vorstellen, dass es
unmöglich ist, Lösungen zu finden, mit denen alle Menschen zufrieden sind.
Nur weil nicht alle zufrieden sind,
muss es Kriege geben?
Ja. So kann man das ausdrücken.
Der Grund für Kriege liegt also in
der Unzufriedenheit.
Richtig. Und an dem Glauben, der
Grund für die eigene Unzufriedenheit liege bei den anderen.
Aber die Welt ist ungerecht.
Das ist eine objektive Tatsache!
Der Weg zu mehr Gerechtigkeit ist
aber möglich. Auch das ist eine objektive Tatsache.
Und warum schaffen wir uns keine
gerechtere Welt?
Weil der Wille dazu fehlt?
Der Wille der Kriegsparteien
besteht aber darin, ihr selbst definiertes Recht mit Gewalt durchzusetzen.
Recht und Gerechtigkeit sind eben
nicht dasselbe.
Wir könnten den Unterschied
zwischen Recht und Gerechtigkeit am Verhandlungstisch diskutieren. Warum
passiert das nicht?
Weil der Wille dazu fehlt?
Ich weiß nicht. Es wird ja
diskutiert, aber ohne befriedigendes Ergebnis. Irgendwann platzt irgendjemandem
der Kragen und plötzlich wird geschossen und abgeschlachtet. Erst wenn genug
Blut geflossen ist, setzt man sich wieder an den Verhandlungstisch.
Du sagst es: Menschen diskutieren
ohne befriedigendes Ergebnis.
Weil Menschen falsch diskutieren?
Oder weil es befriedigende Ergebnisse einfach nicht gibt?
Verhandeln will gelernt sein. Das Befriedigende muss gesucht werden. Menschen könnten noch
vieles lernen. Fehlende Möglichkeiten sind nicht das Problem. Der Mensch ist
das Problem.
Ich bin ein Mensch. Bin ich ein
Problem?
Du hast menschliche Gefühle. Denk
an deine Ungeduld, an dein Gefühl, nicht genug gehört zu werden, an dein
Gefühl, nicht verstanden zu werden.
Du hast recht. Ich kann versuchen,
geduldiger und zufriedener zu werden. Ich kann mich damit abfinden, dass es
Kriege gibt, dass es keine Antwort auf die Frage gibt, ob eine Menschheit ohne
Kriege möglich ist.
Und es gibt noch vieles, was du
lernen kannst.
Stimmt. Lernen kann man immer. Auch
wenn es Kriege gibt.
Kannst du dir eine Menschheit ohne
Kriege vorstellen?
Mein Bild vom Zustand der Welt
hängt von den Medien ab: vom Fernsehen, vom Internet, von den Zeitungen. Die
Menschen, mit denen ich persönlich zu tun habe, führen keine Kriege. Manches
erlebe ich als ungerecht, aber die Menschen in meiner Umgebung reden und
verhandeln miteinander. Ich kann mir ein friedliches Miteinander besser
vorstellen als einen Machthaber, der seinen Soldaten den Befehl zum Angriff
erteilt. Ich finde schon Machtstrukturen, Armeen und den globalen Waffenhandel
unglaublich. Ja, der Friede kann nicht vom Himmel fallen. Aber Tatsache ist,
dass Kriege umfassend vorbereitet und angebahnt werden. Der Befehl zum Angriff
ist nur der logische Abschluss von unzähligen vorangegangenen Schritten.
Der Mensch ist das Problem.
Ich bin ein Mensch. Bin ich ein
Problem?
Du sagst: Der Friede kann nicht
vom Himmel fallen. Woher kann der Friede dann kommen?
Ich frage dich: Was kann ich tun?
Wenn du mich fragst: Kümmere dich
um die Kunst der Kommunikation.