Donnerstag, 19. Januar 2017

Rumpelstilzchen 2017

Es war einmal eine arme Müllerstochter, die für ihren König Stroh zu Gold spinnen musste, weil ihr eigener Vater das so eingefädelt hatte. Sie selbst verstand zwar nichts davon, aber ein kleines Männchen bot ihr einen Handel an. Sie sollte ihm zunächst ihr Halsband und dann ihren Ring vom Finger geben. Im Gegenzug schnurrte das Männchen mit dem Spinnrad und über Nacht war beide Male alles Stroh zu Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch nicht des Goldes satt. Er ließ die Müllerstochter ein drittes Mal in eine Kammer voll Stroh bringen und sprach: »Die musst du noch in dieser Nacht zu Gold spinnen. Gelingt es dir, so sollst du meine Gemahlin werden.« Wenn es auch nur eine Müllerstochter ist, dachte er, eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht. Als das Mädchen allein war, kam das Männchen zum dritten Mal wieder und sprach: »Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh zu Gold spinne?« »Ich habe nichts mehr, das ich dir geben könnte«, antwortete das Mädchen. »So versprich mir«, sagte das Männchen, »wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.« - Das darf ich nicht tun, dachte die Müllerstochter, ich würde es sicherlich eines Tages bereuen. Da wurde sie sehr traurig und versank in eine tiefe Depression. Das Männchen aber sah, dass mit dem Mädchen in dieser Nacht kein Handel zu machen war und verschwand lautlos.

Am Morgen erwachte der König und war in allerbester Laune, fiel ihm doch gleich die Kammer voller Gold ein, in die er nun gehen würde. Doch diesmal sollte er enttäuscht werden. Als er nämlich in die Kammer trat, sah er nichts als Stroh. Da wurde er sehr wütend und schrie das Mädchen an: »Das wird dich dein Leben kosten!« Doch das Mädchen blickte ihm ruhig in die Augen und sprach: »Lieber will ich sterben als deine Gemahlin werden.« Und weil die Müllerstochter schön war, versetzte ihre Bemerkung dem König einen Stich ins Herz. Der König war nun außer sich vor Erregung. Er ließ die Kammer mit dem Stroh und dem Mädchen fest verriegeln und eilte in seine Gemächer, um zu überlegen, was nun zu tun sei. Als er sich einigermaßen gefangen hatte, fielen ihm die zwei Kammern voller Gold wieder ein, die das Mädchen bereits gesponnen hatte. Vielleicht habe ich diese Müllerstochter unterschätzt, dachte er für sich. Da ging die Türe auf und herein kam das kleine Männchen und sprach: »Guten Tag, lieber Herr König, wie ich sehe, hat Er Sorgen. Ich würde Ihm gerne helfen.« »Ach«, sagte der König, »ich habe ein schönes Mädchen im Keller, das Stroh zu Gold spinnen kann. Doch sie will weder Gold für mich spinnen noch meine Gemahlin werden. Sie ist renitent und macht mich wütend.« Da sagte das Männchen: »Ich kenne dieses Mädchen und ich versichere Dir, Du wirst ihr Herz nie erobern. Dafür bist Du nämlich zu gierig. Ich kann Dir nur raten: Lass das Mädchen frei, sonst wirst Du all Dein Gold verlieren.« Da wurde der König traurig und fühlte sich mit einem Male schuldig. Er stieg hinab in die Kammer, wo das Mädchen in einer Ecke saß und vor sich hin starrte. Da die Müllerstochter nicht ansprechbar war, ließ der König seine Ärzte kommen, die sie untersuchten. Einer von ihnen meinte, die Müllerstochter sei von einem Dämon besessen, ein anderer vertrat die Ansicht, man müsse sie zurück zu ihrem Vater bringen, ein dritter schließlich empfahl die Überstellung in ein Kloster. Dem König war nun alles egal. Er verließ die Kammer, ging zu seinem Gold und vergaß das Mädchen. Er sollte in seinem Leben das Glück und die Liebe niemals kennen lernen.

Das Mädchen aber verließ das Schloss und kehrte nicht zu seinem Vater zurück. Es ging in die weite Welt hinaus, dankbar für das, was passiert war. Es hatte das Gefühl gewonnen, dass nichts es davon abhalten könne, sich selbst treu zu bleiben. Das Männchen jedoch, dessen Namen niemand kennt, treibt noch in unseren Tagen sein Unwesen.

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