Mittwoch, 18. Januar 2017

Wut

»Wohin mit meiner Wut?«
(AUS MEINEM JOURNAL)

Wenn wir wütend sind, brauchen wir ein Ventil. Dieses Ventil kann ein Gespräch mit einem Menschen sein, der uns versteht. Wenn es keinen Menschen gibt, mit dem sich reden lässt, kann man schreiben. Man kann seine Wut ausdrücken ohne jemanden zu verletzen. Man kann tanzen, trommeln, Holz hacken, laufen, ..., wir können die Wut körperlich ausagieren.
Wut ist Energie. Ich habe einmal den Satz gedichtet: »Liebeswut tut gut.« Aber was ist Liebeswut? Die Liebeswut ist nur ein weiterer Begriff für die Manie. Manie ist Liebeswut. Wir sollten diese Liebeswut nicht ungenützt verpuffen lassen. Sie ist kostbar. Suchen wir für unsere Wut einen Karren, den wir aus dem Dreck ziehen wollen. Dasjenige zu bekämpfen, das uns wütend macht, steigert nur unsere Wut. Den Karren, der im Dreck steckt, sollten wir nicht zu unserem Karren machen. Der Karren sollte uns nicht wütend machen. Wir brauchen diesen Karren, damit er unsere Wut lindert. Und wenn der Karren wieder läuft, dann haben wir statt der Wut ein neues Gefühl: Befriedigung.
Für seine innersten Wünsche zu beten, ist eine gute Sache. Aber wir sollten das nicht tun, solange wir wütend sind. Das Gebet ist dann am wirkungsvollsten, wenn wir es mit einem Gefühl der Dankbarkeit verbinden. Wenn wir wütend sind, dann sollten wir zupacken, leichte Handgriffe erledigen und die Geduld suchen. Die Wut verleitet uns dazu, zu schnell zu viel zu wollen. Wir sollten weniger wollen und langsamer werden. Ist der Gefühlshaushalt erst wieder im Gleichgewicht, sind wir am kreativsten.
In einer Kirche können wir Ruhe finden, in der Natur, am Wasser, im Wald, im Umgang mit Tieren, im Umgang mit Büchern, im Umgang mit einem Musikinstrument. Aus der Wut heraus entstehen die schönsten Dinge: Musik, Theater, Literatur, Malerei, Aktionskunst, ..., die Mülltrennung, das Recycling, das Upcycling. Wut ist Energie und muss in den Kunstkreislauf zurückgebracht werden. Alles andere ist Verschwendung.
»Wenn man bis zum Hals in der Scheiße steht, bleibt einem nichts übrig als zu singen«, sagte Samuel Beckett. »Wenn alle Stricke reißen, dann hänge ich mich auf«, meinte Johann Nestroy. Also bitte: Die Welt ist doch voller Lösungen! Worauf warten wir noch? Wir hocken untätig vor unseren Computern und sind wütend auf die anderen, die auch untätig vor ihren Computern hocken? Klar: »Warum sollte ich beginnen, etwas zu tun? Das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Und überhaupt: ich will meine Ruhe haben ...«
Was fehlt uns eigentlich? Suchen wir eine Idee? Nun, am besten sind immer noch die eigenen Ideen. Für jeden Menschen, für jede Gruppe, für jede Gemeinschaft sind die eigenen Ideen die besten. Wir dürfen also nicht warten, bis uns jemand eine gute Idee serviert. Wir müssen unsere Ideen selbst kreieren. Wie man das macht? Man macht sich regelmäßig Notizen.

Unsere Wut braucht ein Ventil. Die Welt ist voller Karren, die im Dreck stecken. Aber wütende Postings, welche die Unfähigkeit unserer Politiker anprangern, nützen wenig. Wir merken das daran, dass ein wütendes Posting unsere Wut nicht lindert. Wütende Postings sind kontraproduktiv.

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