»Wohin mit meiner Wut?«
(AUS MEINEM JOURNAL)
Wenn wir wütend sind, brauchen wir
ein Ventil. Dieses Ventil kann ein Gespräch mit einem Menschen sein, der uns
versteht. Wenn es keinen Menschen gibt, mit dem sich reden lässt, kann man
schreiben. Man kann seine Wut ausdrücken ohne jemanden zu verletzen. Man kann
tanzen, trommeln, Holz hacken, laufen, ..., wir können die Wut körperlich
ausagieren.
Wut ist Energie. Ich habe einmal den Satz
gedichtet: »Liebeswut tut gut.« Aber was ist Liebeswut? Die Liebeswut ist nur
ein weiterer Begriff für die Manie. Manie ist Liebeswut. Wir sollten diese
Liebeswut nicht ungenützt verpuffen lassen. Sie ist kostbar. Suchen wir für
unsere Wut einen Karren, den wir aus dem Dreck ziehen wollen. Dasjenige zu
bekämpfen, das uns wütend macht, steigert nur unsere Wut. Den Karren, der im
Dreck steckt, sollten wir nicht zu unserem Karren machen. Der Karren
sollte uns nicht wütend machen. Wir brauchen diesen Karren, damit er unsere Wut
lindert. Und wenn der Karren wieder läuft, dann haben wir statt der Wut ein
neues Gefühl: Befriedigung.
Für seine innersten
Wünsche zu beten, ist eine gute Sache. Aber wir sollten das nicht tun, solange
wir wütend sind. Das Gebet ist dann am wirkungsvollsten, wenn wir es mit einem
Gefühl der Dankbarkeit verbinden. Wenn wir wütend sind, dann sollten wir
zupacken, leichte Handgriffe erledigen und die Geduld suchen. Die Wut verleitet
uns dazu, zu schnell zu viel zu wollen. Wir sollten weniger wollen und
langsamer werden. Ist der Gefühlshaushalt erst wieder im Gleichgewicht, sind
wir am kreativsten.
In einer Kirche können wir Ruhe finden, in
der Natur, am Wasser, im Wald, im Umgang mit Tieren, im Umgang mit Büchern, im
Umgang mit einem Musikinstrument. Aus der Wut heraus entstehen die schönsten
Dinge: Musik, Theater, Literatur, Malerei, Aktionskunst, ..., die Mülltrennung,
das Recycling, das Upcycling. Wut ist Energie und muss in den Kunstkreislauf
zurückgebracht werden. Alles andere ist Verschwendung.
»Wenn man bis zum Hals
in der Scheiße steht, bleibt einem nichts übrig als zu singen«, sagte Samuel
Beckett. »Wenn alle Stricke reißen, dann hänge ich mich auf«, meinte Johann
Nestroy. Also bitte: Die Welt ist doch voller Lösungen! Worauf warten wir noch?
Wir hocken untätig vor unseren Computern und sind wütend auf die anderen, die
auch untätig vor ihren Computern hocken? Klar: »Warum sollte ich
beginnen, etwas zu tun? Das ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Und
überhaupt: ich will meine Ruhe haben ...«
Was fehlt uns
eigentlich? Suchen wir eine Idee? Nun, am besten sind immer noch die eigenen
Ideen. Für jeden Menschen, für jede Gruppe, für jede Gemeinschaft sind die
eigenen Ideen die besten. Wir dürfen also nicht warten, bis uns jemand eine
gute Idee serviert. Wir müssen unsere Ideen selbst kreieren. Wie man das macht?
Man macht sich regelmäßig Notizen.
Unsere Wut braucht ein Ventil. Die
Welt ist voller Karren, die im Dreck stecken. Aber wütende Postings, welche die
Unfähigkeit unserer Politiker anprangern, nützen wenig. Wir merken das daran,
dass ein wütendes Posting unsere Wut nicht lindert. Wütende Postings sind
kontraproduktiv.
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